Finest Bicycle Service

Eine Freie Werkstatt, ohne Markenbindung und ohne Verkauf von neuer "Ware". In der Kfz.-Branche weit verbreitet! Im Fahrrad-Bereich ist das jedoch eine Ausnahme. Heutzutage ist in aller Regel ein Handel an die Werkstatt gekoppelt. Viele Werkstätten nehmen deshalb - auch auf Grund der hohen Nachfrage der letzten Jahre - nur noch "eigene" Räder zur Reparatur an. Insbesondere mit Fahrrädern aus dem Online-Handel sucht man Vielerorts vergebens nach einem Zweirad-Mechaniker. Diese Marktlücke erkannte ein Coburger Gründer nun als Chance.

Herr Axmann, Sie haben Ihr Unternehmen Finest Bicycle Service im letzten Jahr gegründet. Wie kamen Sie zu der Idee eines Reparaturservice für Fahrräder und woher kommt Ihre Expertise in dem Bereich?

Im ersten Jahr der Corona Pandemie war es schwer eine Fahrradwerkstatt zu finden. Die meisten nahmen nur noch Räder zur Reparatur an, die bei Ihnen gekauft wurden, was heute oft immer noch der Fall ist. Ist ein Kunde aus einer anderen Stadt nach Coburg gezogen, oder hat er sein Rad im Internet gekauft, war und ist es für diesen fast unmöglich eine gute Werkstatt zu finden. Diese Marktlücke wollte ich mir zu Nutze machen. Für mich war es nicht nachvollziehbar, wieso Händler so mit Kunden umgehen. Vor etlichen Jahren habe ich bereits als Zweiradmechaniker gearbeitet, bin dann aber wieder in die Industrie zurückgekehrt, da ich eine Ausbildung als Industriekaufmann habe. In meiner Freizeit habe ich jedoch immer weiter geschraubt und bin so immer am Stand der Technik geblieben. Zudem haben sich meine Fähigkeiten und Kenntnisse durch diverse private Oldtimerprojekte noch erweitert. Vor der Eröffnung habe ich dann noch eine Prüfung bei der Handwerkskammer abgelegt, um meine Eignung nachzuweisen.

Wie verlief die zurückliegende Gründungsphase für Sie? Was war die bisher größte Herausforderung bei Ihrer Gründung? Wie konnten Sie diese meistern?

Relativ problemlos. Die Bürokratie lernt man mit der Zeit kennen. Man lernt sie zwar nicht lieben, aber man muss im gewissen Umfang damit umgehen. Am Anfang muss man Großhändler oft noch überzeugen, da das Konzept Fahrradwerkstatt nicht so verbreitet ist. Aber dies gelang mit Ruhe und Beharrlichkeit. Diese beiden Attribute sind für mich bei einer Gründung mit am wichtigsten! Die größte Herausforderung, war eigentlich nur eine Kopfsache. Wenn man aus einem sicheren Angestelltenverhältnis in die Selbstständigkeit wechselt, ist dies am Anfang schon komisch, wenn man weiß, am Monatsende ist nicht automatisch das Geld auf dem Konto. Aber es ist schön, wenn man am Feierabend sieht, was man geleistet hat und wie man sein Geld verdient. Die Anerkennung und das Lob meiner Kunden, macht dann natürlich auch vieles einfacher.

Sie wollten zunächst im Nebenerwerb gründen und konnten/wollten sich dann aber schneller als geplant dem Vollerwerb widmen. Wurden Sie von der Resonanz überrascht? Warum wollten Sie erst den Nebenerwerb und worin liegt aus Ihrer Sicht der Vorteil dieser Alternative?

Ich habe erst im Nebenerwerb angefangen, da ich nicht sicher war, wie ein reines Radwerkstatt-Konzept ohne Radverkauf in Coburg angenommen wird. Im KFZ-Bereich ist dies ja schon Standard. Im Fahrrad-Bereich jedoch noch eine Ausnahme. Meist ist ja auch ein Handel an die Werkstatt angeschlossen. Dies wollte ich aber bewusst nicht machen. Die Nachfrage nach Reparaturen hat mich dann doch überrascht. Der Vorteil eines Nebenerwerbs ist ganz klar die Absicherung. Vor allem in Hinblick auf die Kranken- und Rentenversicherung. Dies sind für den Selbstständigen schon ziemliche Kostenblöcke. Allerdings, ließen sich Aufgrund der Nachfrage die beiden Jobs zeitlich nicht mehr miteinander vereinbaren, weshalb ich mich dann für den Beruf entschieden habe, der mehr Spaß macht. Somit bin ich in den Vollerwerb als Existenzgründer eingestiegen.

Was genau ist Kern Ihres Konzeptes und wer sind Ihre Kunden? Wie unterschieden sich Ihre Leistungen von den anderem am Markt?

Ich bin eine freie und markenoffene Fahrradwerkstatt für alle Räder. Ob mit oder ohne E-Motor spielt bei mir keine Rolle. Zudem bin ich bereits Bosch, Radon-Bikes, Sushi-Bikes, Jobrad und Fahrrad.de Service Partner. D.h. hier stehe ich durch engen Kontakt mit den Herstellern den Kunden mit aktuellem Fachwissen und Service zur Verfügung. So muss ein Kunde mit einem Bosch E-Bike z.B. nicht mehr in seine Markenwerkstatt, sondern kann im Service- oder Garantiefall auch meine Dienste in Anspruch nehmen. Durch meine Ungebundenheit, kann ich den Kunden einen breiteren Service anbieten, da ich z.B. auch defekte Teile durch bessere ersetzen kann. Zudem kann ich dies den Kunden zu einem besseren Preis-/Leistungsverhältnis anbieten. Hier ist es ähnlich, dem Verhältnis KfZ Vertragswerkstatt / Freie Werkstatt. Zu meinen Kunden zählt die komplette Bandbreite an Radfahrern. Von alten Stadträdern über E-Bikes bis zu Lastenradfahrern ist alles vertreten. Zudem biete ich einen Aufbauservice für im Internet gekaufte Räder an. Dies ist aktuell im Landkreis Coburg einzigartig.

Nicht einmal 2 Jahre alt, eine Frage zur Zukunft. Was sind die kommenden Meilensteine und wo will der Finest Bicycle Service hin?

Zunächst will ich mich einmal am Markt etablieren und die Werkstatt auf ein solides Fundament stellen. Sollte die Nachfrage weiter steigen, sind Erweiterungen natürlich nicht ausgeschlossen. Dies werde ich jedoch sehr behutsam angehen, damit ich bei einem Wachstum auch meinen eigenen Qualitätsmaßstäben treu bleiben kann. Weitere Ideen habe ich natürlich im Kopf, aber alles zu seiner Zeit.

 

Angestelltenverhältnis und Unternehmertum. Kennen Sie beides? Was sind die Unterschiede?

Ich war 24 Jahre in einem Angestelltenverhältnis, bevor ich mich nun in die Selbstständigkeit gewagt habe. Da ich in dieser Zeit unter anderem auch als Abteilungsleiter tätig war, wusste ich bereits, was es heißt einen gewissen Weitblick zu haben, den man auch als Unternehmen benötigt. In einem Angestelltenverhältnis hat man natürlich immer eine gewisse Absicherung. Um diese muss man sich als Selbstständiger selbst kümmern. Auch ist man als Einzelunternehmer am Ende für alles zuständig. Von der Buchhaltung, über die Auftragsannahme bis hin zur Reparatur. Jedoch ist es gerade diese Bandbreite an Aufgaben, die das Dasein als Selbstständiger auch schön und abwechslungsreich machen.
Zudem kann man frei entscheiden, wie und wann man etwas machen will.
 
Was braucht ein erfolgreicher Gründer nach Ihrer bisherigen Erfahrung und was würden Sie anderen empfehlen/was würden Sie heute anders machen?

Auf jeden Fall Durchhaltevermögen und Flexibilität. Man muss sich immer wieder dem Markt anpassen um auf Veränderungen zu reagieren. Die Schwierigkeiten im letzten Jahr, was die Lieferketten angeht, machten natürlich auch die Teilebeschaffung schwierig. Hier muss man immer wieder kreativ sein, damit die Räder der Kunden laufen. Sinnvoll ist es auf jeden Fall, sich als Handwerker auch mit kaufmännischen Themen auszukennen. Hier spielt mir natürlich meine Berufserfahrung in die Hände. Für andere Gründer kann dies schnell zur Herausforderung werden. Ich würde nichts anders machen. Das Meiste lernt man eben doch erst dadurch, dass man es tut. Auch kleine Rückschläge dürfen einen nicht entmutigen, sondern man muss dies immer wieder als Herausforderung und Reifeprozess sehen. Aufgeben ist ja auch keine Lösung. Wenn etwas nicht funktioniert, muss man es eben anders machen.