Ergotherapie im Gründerzentrum

„Liebe, was du tust, und sei offen für Neues“, das ist ein Leitsatz von Annika Welzig. Sie hat sich als Ergotherapeutin im Gründerzentrum in Rödental selbstständig gemacht. Die Praxis besteht aus vier großen Therapieräumen inklusive Werkstatt. Die zu betreuenden Personen können sich auf vielfältige Angebote, Geräte und Materialien -  individuell abgestimmt - freuen.

Kannst du kurz denjenigen, welche mit Ergotherapie nichts anfangen können, erklären, was ihr macht? Wo liegt der Unterschied zur Physiotherapie?


Die Ergotherapie ist sehr alltagsorientiert. Ziel ist immer eine größtmögliche Selbstständigkeit im Alltag zu erreichen. Das trifft sowohl auf Kinder als auch auf Erwachsene zu. In der Physiotherapie geht es eher um den funktionellen Bereich, also das Skelett und die Muskulatur.  Das Tätigkeitsfeld der Ergotherapie umfasst die Bereiche Neurologie, Orthopädie, Psychiatrie, Pädiatrie und Gerontologie. Wir decken also alle Altersklassen mit den unterschiedlichsten Krankheitsbildern und Symptomen ab. So ist unsere Arbeit sehr vielseitig. Es geht um Wiedereingliederung ins Berufsleben nach einem Unfall/Schlaganfall oder anderen Erkrankungen, genauso wie um die Alltagsbewältigung mit beispielsweise Burnout/Depression etc. Wir bieten auch Hirnleistungstraining an und fördern Kinder mit körperlichen oder geistigen Entwicklungsstörungen. Oberstes Ziel ist es immer eine größtmögliche Selbstständigkeit im Alltag zu erwirken unter Berücksichtigung der eigenen Ressourcen und Fähigkeiten. Ein wichtiger Bestandteil der Therapie ist auch immer wieder eine Überprüfung der festgesetzten Ziele.  Wir bleiben mit den Betreuungseinrichtungen/Eltern in ständigem Austausch, da das Umfeld/die Angehörigen einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung bzw. die Genesung hat/haben.

Der Ort der Gründung steckt bereits im Namen deiner Firma. Wie bist du hier gelandet und wie passt eine Ergotherapie-Praxis in ein Areal, wo überwiegend digitale Startups angesiedelt sind?


Durch persönliche Kontakte bekam ich die Möglichkeit, die Räumlichkeiten auf dem ehemaligen Goebel Gelände zu besichtigen. Direkt mit dem Eigentümer, mit Wolfgang Schulze, konnte ich meine individuellen Vorstellungen einer möglichen Praxis besprechen. Da ich positive Rückmeldungen auf meine Ideen erhielt, entschied ich mich schließlich den Schritt in die Selbstständigkeit zu gehen. Die Familie Schulze hat mich bei der Realisierung der Praxis sehr unterstützt. Ich wurde in die Planung bzw. Gestaltung der Räume mit einbezogen, was für mich ein großer Vorteil war. Die Räume befanden sich damals noch im Rohbau und so bekam ich die Möglichkeit vom Boden bis zur Beleuchtung mitzuentscheiden. Der Standort im Gründerzentrum ermöglichte es mir direkt verschiedene Kontakte zu knüpfen, welche ich sodann auch gleich in der Startphase nutzen konnte. Egal ob Logo, Flyer, Beklebungen oder Elektroinstallationen, für alles gab es gleich Experten nebenan. Die Gesundheitsbranche im Allgemeinen ist in Sachen Digitalisierung ja leider immer noch ziemlich hinterher, wir faxen ja noch (lacht). Doch ich wollte dennoch ein digitales Büro und eine moderne Arbeitswelt schaffen und auch hierfür habe ich hier schnell einen Partner gefunden. Ich persönlich konnte also bereits mehrfach von dem Standort profitieren, um aber noch einmal auf die Frage einzugehen, wie die Praxis zum Startup-Umfeld passt: Ergotherapie wird immer gebraucht, wir behandeln Menschen aus allen Altersklassen und allen Branchen und somit passt eine junge und moderne Praxis ebenso gut zu dem Gelände, wie jede andere Neugründung.

Wie kam es, dass du deine eigene Praxis eröffnet hast? Hattest du den Wunsch nach einer Selbstständigkeit bereits nach der Ausbildung zur Ergotherapeutin oder kam das erst mit der Berufserfahrung?


Eine eigene Praxis zu eröffnen hatte ich eigentlich nie vor. Die Ausbildung zur Ergotherapeutin war meine erste Lehre. Danach habe ich viel erlebt. Ich war im Ausland und habe nicht nur als Ergotherapeutin gearbeitet. Beispielsweise habe ich nach einer längeren Beschäftigung in einem Klinikum umgeschult zur Versicherungs- und Finanzanlagenfachfrau, was ja ein kompletter Branchenwechsel für mich war. Irgendwann trieb es mich dann aber zurück ins Gesundheitswesen. Ausschlaggebend in meinen ursprünglichen Beruf zurückzukehren war meine spätere Chefin in einer Praxis für Ergotherapie. Sie wurde zu einer Art Mentorin für mich und hat das Feuer für meinen Beruf der Ergotherapeutin neu entfacht. Ich lernte neue Ansätze, neue Methoden und merkte, dass es doch auch „anders“ geht und die Leidenschaft kam zurück. Als für die Praxis die Nachfolgefrage anstand, war ich dann das erste Mal mit der Überlegung Selbstständigkeit konfrontiert, doch ich fühlte mich irgendwie noch nicht bereit dafür und so orientierte ich mich zunächst neu. Deshalb ging es nach Coburg. Hier erhielt ich gute Beschäftigungsangebote doch gleichzeitig fügten sich auch verschiedene Entwicklungen aneinander, sodass daraus dann die eigene Praxiseröffnung resultierte.

Du bist gerade noch im Aufbau deines Unternehmens. Mit welchen Schwierigkeiten hast du zu kämpfen (gehabt) und was sind die ersten Erfolge?


Es ist für mich aktuell eine Herausforderung, das große Ganze im Blick zu haben, also die Praxis in ihrer Gesamtheit. Wobei wir langsam Routine bekommen und „ankommen“.  Natürlich geht es in erster Linie um die Arbeit mit den Patientinnen und Patienten und darum Behandlungserfolge zu erzielen. Als Unternehmerin muss ich mich aber auch um meine Beschäftigten, um die Büro-Organisation und um alles kümmern, was auch bei allen anderen Unternehmerinnen und Unternehmern zum Arbeitsalltag gehört. Marketing, Buchhaltung und das Ganze verbunden mit einer Prise Bürokratie, welche es speziell im Gesundheitswesen gibt (lacht). Einerseits bin ich ja selbstständig, andererseits bin ich feste Kooperationen eingegangen. Die besondere Herausforderung liegt darin, dass es hierbei jeweils unterschiedliche Anforderungen gibt. Eine Entbürokratisierung wäre wirklich schön, ist aber vermutlich Wunschdenken. Meine ersten Erfolge sind definitiv genau diese Kooperationen, das gibt mir schon Sicherheit. Außerdem ist mein Team ein Riesenerfolg. Wir haben bereits zusammengearbeitet und können uns aufeinander verlassen, was Gold wert ist.

Wie sieht deine Vision aus? Wo siehst du dich in fünf Jahren und wie wird da vielleicht deine Praxis aussehen?


Aktuell sind wir zu dritt. Zwei Therapeutinnen und eine Bürounterstützung. Nächstes Jahr wird eine weitere Kollegin, welche ich bereits aus meiner Zeit in Bamberg kenne, mit in mein Team kommen. Der Plan für die nächsten Jahre sieht vor, dass wir irgendwann insgesamt vier Therapeutinnen oder Therapeuten in Vollzeit in der Praxis sind. Ich bin allgemein offen für Neues und kann mir auch ergänzende Angebote in meinen Räumlichkeiten vorstellen. Ich hab mir in der Vergangenheit ein sehr gutes Netzwerk in der Ergotherapie mit vielen Ressourcen aufgebaut. Mal schauen also, was da noch so kommt. Zunächst werde ich einer anderen Gründerin, welche sich als psychologischer Coach selbstständig macht, eine Praxismitbenutzung ermöglichen.

Vielleicht ist es noch etwas früh, da du ja gerade selbst erst gegründet hast, aber hast du eine Empfehlung an andere Therapeuten (Ergo, Physio, Logo, ...), wann der richtige Zeitpunkt für eine Gründung gekommen ist?

 

Das spürst du, wenn’s soweit ist!

Musstest du auch schon Lehrgeld zahlen? Kannst du anderen Tipps geben, welche Fehler sich in der Gründungsphase vermeiden lassen?

 

Fehler sind für mich nichts negatives, denn sie sind notwendig, um daraus zu lernen. Ich selber bereue keine meiner Entscheidungen oder beruflichen Stationen. Aus allen konnte ich bisher immer etwas Gutes mitnehmen, mich selbst stärken und weiterentwickeln. Somit wäre es fatal anderen zu raten keine Fehler zu machen, denn sonst gibt es auch keinen Lerneffekt.